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Stolperstein der Woche 15

 

 

Teilhabe(chancen) von Frauen mit Lernschwierigkeiten


    
War es Zufall oder nicht – jedenfalls sprach mich am 8. März 2005, dem internationalen Frauentag – die Schwester einer jungen Frau mit Lernschwierigkeiten auf unsere Aktion Stolperstein an. Sie erzählte mir, wie sehr es sie persönlich berühre und auch belaste, dass ihre Schwester immer wieder zum Ausdruck bringt, wie gerne sie ein Leben ähnlich dem ihren führen würde. Also mit einem Partner in einem eigenen Haus mit Garten wohnen, ein kleines Töchterchen haben und mit dem zweiten Kind schwanger sein, mit der Familie auf Urlaub fahren. Die Frau meinte, dass sich ihre Schwester damit zwar ein Idealbild vorstelle, eine Familiensituation, in der es nie Probleme gebe, die gar nicht so rosig sei - und trotzdem: im Grunde hätte ihre Schwester nicht einmal die Wahlmöglichkeit, sich nämlich für oder gegen einen Partner, Kinder, Haus- oder Erwerbsarbeit zu entscheiden. Ihre Schwester nehme dies auch als gegeben hin, trauere aber deswegen – so ihr Eindruck – doch sehr stark.
    
Leider musste ich der Frau aus Sicht der Forscherin zustimmen, dass die Teilhabe(chance) von Frauen mit Lernschwierigkeiten vor allem an Bereichen, die mit der Identität als Frau verbunden gelten, äußerst gering ist. Dies insbesondere, wenn es um Bereiche geht, die mit Sexualität verbunden sind. Sexualität und Behinderung kann als doppeltes Tabu bezeichnet werden, besonders stark trifft das auf Menschen mit Lernschwierigkeiten und hier verstärkt auf Frauen zu. Für die Frauen selbst sind Fragen, die die Bereiche Familie, Partnerschaft, Kinder und Haushalt betreffen sehr wohl ein Thema, dennoch scheint es vielen unvorstellbar, diese Lebensbereiche für sich selbst auszufüllen. Dies wohl auch deshalb, weil sie nicht selten im Rahmen ihrer Sozialisation von ihrem sozialen Umfeld auf ihre Inkompetenz, bestimmte Bereiche auszufüllen, hingewiesen werden. Dies betrifft vor allem einen möglichen Kinderwunsch der betroffenen Frauen. Es werden auch Verbote genannt und von den Frauen als gegeben hingenommen. Für viele Frauen scheint ein selbstständiges, selbstbestimmtes Leben nicht im Vorstellungsbereich der eigenen Möglichkeiten zu liegen. Dies deshalb, weil vorgezeichnete Lebensmuster ihnen im Rahmen der Sozialisation als „Normalität“ vermittelt werden.

Aus meiner Sicht scheint es daher notwendig, Modelle von möglichen selbstbestimmten Lebensformen zu entwickeln und sie fremdbestimmten Lebensentwürfen gegenüber zu stellen.

Fragen im Zusammenhang mit Partnerschaft, Behinderung und Sexualität spricht Dieter Schmutzer in seinem Vortrag am 14.4.2005 an der Universität Klagenfurt an.

 

Marion Sigot

12. März 2005

 

 

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