Barrierefreiheit
für Sport- und
Freizeiteinrichtungen
Der 23. Stolperstein auf dem Weg
zur Gleichstellung befasst sich
mit den Unzulänglichkeiten in
puncto Barrierefreiheit bei
Sport- und
Freizeiteinrichtungen.
Da Menschen mit Behinderungen
auch gerne an
Sportveranstaltungen aller Art
aktiv und passiv teilnehmen, sei
an dieser Stelle ein Augenmerk
auf die baulichen und sonstigen
Hürden geworfen, die
Sportstätten hierzulande zu
bieten haben.
Das Freizeitangebot, dass man
bei uns nützen kann, hat leider
auch noch oft genug Barrieren
für behinderte Menschen
eingebaut. Auch dazu folgen ein
paar Beobachtungen, die
hoffentlich dazu führen, nicht
nur darauf hingewiesen zu haben,
sondern auch Denkprozesse und
Verbesserungen dabei in Gang zu
bringen.
Beispiel 1: Fußballplatz
(gilt auch für andere
Sportstätten wie solche für
Eishockey oder Basketball)
Menschen mit Behinderungen
besuchen mitunter gerne einmal
ein Fußballspiel, doch dass sich
ein solcher Besuch nicht immer
leicht und zur Zufriedenheit
aller umsetzen lässt, zeigt
folgendes Beispiel. Ich möchte
hier gerne meine Erlebnisse mit
dem E-Rolli schildern: Beginnen
wir mit der Eintrittskarte. Der
Kartenkauf gestaltet sich schon
schwieriger als erwartet: Die
erste von zwei Kassen ist nicht
stufenlos erreichbar. Spricht
man dieses Manko an, heißt es:
„Wo ist das Problem? Ich bringe
Ihnen“ – nein, korrigiere – „Dir
die Karte hinaus.“ Das Klischee,
„die Behinderten brauchen immer
Extrawürsteln“ scheint für mich
in solchen Begebenheiten einen
Ursprung zu haben.
Mit der Zeit, wenn man öfter zu
Sportveranstaltungen rollt bzw.
geht, hat man sich einen
Überblick verschafft:
Behindertenparkplatz gibt es
keinen oder wenigstens einen
hoffnungslos zugeparkten, aber
man kann sich in den
abgesperrten Parkplatz stellen;
doch nur, wenn man das auch
weiß, denn Hinweis
(Ausschilderung z.B.) darauf
findet man keinen.
Widersprüchliche Meinungen der
Verantwortlichen dazu, ob man
als Rollstuhlfahrer/in einen
Eintritt zu zahlen hat oder
nicht, führen dazu, dass manche
Eintritt zahlen, andere nicht,
und man erst in Gesprächen am
Platz darauf aufmerksam wird.
Über den Eintrittspreis kann man
streiten: soll man einen zahlen
müssen, obwohl man keinen
besonders guten Platz hat? Die
eigentlich nicht
gekennzeichneten und daher auch
nicht vorhandenen Plätze für
Menschen, die einen Rollstuhl
brauchen, sehen nämlich (im
derzeitigen Klagenfurter
Fußballstadion z.B.) folgender
Maßen aus: sie befinden sich auf
der Laufbahn in der Westkurve,
das heißt u.a. – 1. das
Geschehen auf der linken
Spielhälfte ist überschaubar,
das der rechten Hälfte bleibt
ein Mysterium („wer hat das Tor
geschossen, hast Du das
gesehen?“); 2. durch die
Perspektive aus dem Rolli und da
man ja auf gleicher Ebene mit
den Spielern ist, ist man zwar
hautnah am Spiel, aber man kommt
sich vor wie eine Maus in einem
vollen Einkaufszentrum, man hat
keinen Überblick!; 3. hinter der
Linie rund um den Eckball-Punkt
ist man dem Ball gefährlich
nahe, man muss sich schon das
eine oder andere Mal ducken; 4.
das Gemeinschaftsgefühl in der
Fangemeinde kommt hier jenseits
der Absperrung nicht auf, man
jubelt bei einem Tor halt nicht
zu hundert sondern zu zweit oder
dritt, so wie daheim vorm
Fernseher; 5. obwohl es einen
ebenen Zugang zu den Plätzen
gibt (durch den kann man
wenigstens in der Pause und nach
dem Spiel raus), müssen
Rollifahrer/innen durch einen
steilen, engen Tunnel, der in
der Mitte mit einer Tür
versperrt ist, die erst ein
Ordner öffnen muss;
Die gute Nachricht: es befindet
sich ein barrierefreies WC am
Fußballgelände.
Ich zahle gerne den
Eintrittspreis: dafür möchte ich
mir den Platz aber aussuchen
können, ich will die Wahl haben
zwischen einem erhöhten Platz an
den Rängen, auf der Tribüne oder
wie gehabt am Laufband, aber
dann wenigstens an der
Mittellinie.
Beispiel 2: Kino – wie komme ich
zum Film?
Bei Freizeiteinrichtungen wie
Kinos wünsche ich mir auch die
Wahlmöglichkeit. Haben Sie schon
einmal einen Film in der ersten
Reihe sitzend angesehen? Das ist
schlimmer wie Achterbahn fahren,
alles ist so verbogen, und dann
muss man auch noch ständig hin-
und herschauen, weil man sonst
den halben Film nicht
mitbekommt. Davon wird mir
zumindest schwindlig.
Die Kinos in Klagefurt kenne ich
mittlerweile recht gut, gehe
auch dank Rotation der Filme
gerne hin. Ich muss vorher immer
checken, in welchem Kinosaal
der/die gewünschte/n Filme
läuft/laufen, ich muss also
meistens einen Kompromiss
schließen: Wunschfilm 1 – komme
nicht rein; Wunschfilm 2 – in
der 1. Reihe sitzen, nein;
Wunschfilm 3 – 7. Reihe, schräge
Ebene, Außengang; ich nehme Film
3.
In unserer Landeshauptstadt
sieht die Kinowelt aus
E-Rolli-Sicht so aus: Im größten
privaten Kino mit 9 Sälen muss
man in 8 in der 1. Reihe und in
1 in der 6. Reihe sitzen – es
bleibt mir ein Kinosaal von 9.
Im nächst größerem Kino des
selben Besitzers sind von 6
Sälen 3 befahrbar, wovon 1 bis
zur 12. Reihe am Rande
erreichbar ist, 1 bis zur 8.
Reihe (Zugang nur von außen,
geöffnet durch das Kinopersonal)
und 1 bis zur 6. Reihe (auf
schräger Ebene). Das dritte, von
öffentlicher Hand geförderte
Kino hat 1 Kinosaal mit Platz
bis zur 3. Sitzreihe, Zugang
wieder nur von außen mit
autorisiertem Personal. In Summe
ergibt das 16 Kinosäle, davon
sind 5 mit mehr oder weniger
guten Plätzen benutzbar. 8 sind
befahrbar, aber von schlechter
Platzqualität und 3 sind gar
nicht benutzbar.
Beispiel 3: das „Invalidenbad“
Das beste Beispiel für
Aussonderung behinderter
Menschen in Freizeitanlagen ist
wohl das Strandbad: hier
befindet sich das sogenannte
„Invalidenbad“ (kommt von
„invalid“, deutsch „ungültig“).
Abgeschieden vom restlichen
Badevergnügen, am äußersten Rand
des Bades am östlichen
Wörtherseeufer, auf einem
eigenen Steg im Schutze des
Bootshauses befindet sich die
Außenstelle für ungültige
Menschen. In deutlichen Lettern
geschrieben hängt ein Schild
über der Eingangstür mit der
Aufschrift „Invalidenbad“. Von
großer Gültigkeit und Bedeutung
ist natürlich ohne Zweifel der
Badelifter, ohne den einige
Badegäste das kühle Nass nicht
erreichen könnten, diese
Möglichkeit gibt es nur hier.
Aber warum kann/darf/soll das
nicht zentraler, öffentlicher
sein? Müssen behinderte Menschen
versteckt werden bzw. sich
verstecken vor nicht behinderten
Menschen? Es lässt sich ja auch
nicht verbergen, dass wir
Rollstuhle, Krücken, Stöcke,
etc. genauso als Hilfsmittel
ge-brauchen wie einen Badelifter.
Die vielbeschworene Ruhe vor
glotzenden Menschen hat man auch
hier im trauten Kreise der
behindertem Mitbürger/innen
nicht: „Ma, dem geht’s aber
schlecht! Früher war er noch so
gut bei einander.“
Ich bin der Meinung, dass wir in
vielen Bereichen viel mehr
Öffentlichkeit brauchen, um für
unsere Rechte besser eintreten
zu können: gemeinsames Ansehen
von Fußball- und anderen Spielen
oder gemeinsamer Badespaß statt
separiertem Dasein mit wenigen
Berührungspunkten, volle
Teilnahme an kulturellen und
Freizeit-Veranstaltungen statt
ausgeschlossenem Randdasein; die
Möglichkeiten dazu müssen wir
uns – aus Mangel an derzeitiger
gesetzlicher Handhabe – halt
Stück für Stück erkämpfen bis zu
einer Gleichstellung.
Herbert Kaiser
8. Mai 2005